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DAS ABC DES RUDERSPORTS

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Willem am EBS   

Willem – ein Findling  

 Ihr wisst ja, ich bin ein TV-Junkie. Da sah ich doch letztens so einen Bericht über Babyklappen. Das hat mich sehr an meine eigene Geschichte erinnert und deshalb habe ich mich nun doch entschlossen, euch mal zu berichten, wo ich herkomme.  

Es ist eine traurige Geschichte, aber – keine Angst - ich würde sie euch nicht erzählen, wenn sie nicht ein gutes Ende hätte.

Das Problem aber ist, dass ich eigentlich gar nicht weiß, wo ich herkomme. Ich habe alles Elefantenmögliche getan, um es herauszufinden, aber bisher noch keine Antwort gefunden. Doch dazu später mehr.

Also, wo fangen wir an ?  

 

Woran ich mich noch ziemlich gut erinnern kann, das sind die schrecklichen Stunden im Schlick. Ich muss wohl vom Ufer der Geeste oder von einem Boot gefallen sein, 

vielleicht hat mir auch einer eins über die Rübe gezogen, jedenfalls erwachte ich in einer übel riechenden glitschigen Masse. Dreckig braunes salzig schmeckendes Zeug schwappte mir entgegen. Was war das ? Die Ursuppe? Ein überdimensionales Erdnussflipssorbet ? Die Tränen der Welt ?

Nein, es war das eklige Brackwasser der Geeste und es stank nach totem Fisch.  

Ich lag auf dem Bauch, der Rüssel steckte im Sand und mit jedem Atemzug sog ich

kaltes Wasser und eine Ladung Sand ein, die mir in der Nase kitzelte. Wie gern hätte ich mich wenigstens mal geräuspert oder geschneuzt, aber ich konnte weder den Kopf, noch den Rüssel hochkriegen.

Alles war schwer wie Blei, wohl deshalb, weil nicht eine einzige Fellfaser an mir mehr trocken und obendrein irgend etwas mit meinem Rücken war.

Ich versuchte, mich umzuschauen. Was ich sah, machte mir keine Hoffnung: Dieses war offenbar der gottverlassenste Ort, den man sich zum Stranden aussuchen konnte. 
Weit und breit kein Mensch in Sicht, keine Wohnhäuser, nur ein paar schabrackige verlassene Lagerhallen und eine leere Kuhweide.
Nachdem ich wohl schon so einige Stunden da in der Kälte herumgelegen hatte und merkte, wie mir die Sinne schwanden, sah ich endlich aus dem Augenwinkel eine große stolze Yacht herannahen. Ha ! Wenn das nicht meine Rettung war, wer dann ? Sie schauten ja von oben auf mich herab, also würden sie mich sicher sofort sehen, auch wenn ein kleiner grauer mit braunem Schlick überzogener Elefant im graubraunen Schlick sicher nicht sehr gut auszumachen war. Ich versuchte, mich bemerkbar zu machen „Hilfe !“ dachte ich, aber aus meinem Maul kam nur ein leises „HF“ und eine Ladung Sand.  

Die Leute auf der Brücke schauten zu mir herüber.

„Äääähh, ist das hier schrecklich“ sagte einer.

Ja, so ein kaputter Elefant war sicher ein schrecklicher Anblick.


„Schau mal, wieviel Müll hier herumliegt. Igitt. Welche Idioten wohnen denn freiwillig in so einer Stadt ?“  

 

„Müll ???? Der meint doch nicht etwa mich ?“, dachte ich und versuchte es noch einmal „HFFFF !!!“.

Ich hörte, wie das Tuckern der Motoren, es klang wie 500 PS, die sich danach sehnten, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen, leiser wurde.

Das letzte, was ich von diesem Traumschiff mitbekam, waren die – schwapp – Wellen, die – schwapp – über mich hereinbrachen und  -schwapp – mich noch tiefer in den Morast schubsten.

Noch etwas fiel mir auf: Mit jeder Welle trieb eine Handvoll rosaroter Bröckchen an mir vorbei.

Was war das nun wieder?

Mir fiel weiterhin auf, dass der Druck in meinem Kopf und auf meine Augen nachließ. Nicht dass ich hätte weinen wollen, so etwas tut ein Elefant ja nicht, aber meine Augen brannten wie Feuer und es hätte vielleicht schon geholfen, sie zu spülen. Und diesem schmutzigen Fluss hätten ein paar saubere Elefantentränen auch ganz gut getan.  

Aber das war die Erklärung: Ich wurde immer leerer, weil meine Füllung durch die aufgeplatzte Naht am Rücken entwich.

Das war das Ende. Das einzige Boot, das hier vorbeikam, sah mich nicht, rufen konnte ich nicht, wozu auch. 

Wenn ich mich bis dahin nicht aufgelöst hätte, würde die Flut mich in ein paar Stunden erwischen. Okay, ein Elefant muss wissen, wann ein Elefant aufgeben muss. Ich schloss die Augen und ergab mich würdevoll in mein Schicksal.

Da bekam ich einen Schlag auf den hohlen Kopf. „Au“ dachte ich. Und es klang wie „Au“, denn „Au“ kann man auch mit Sand im Mund sagen, das könnt ihr ja mal ausprobieren.

Noch ein Schlag mit einer harten Kante auf meine wehe Schulter.

„Krrrr“ nuschelte ich in den Matsch, was „Könnt ihr mich nicht in Ruhe lassen, verdammt“ heißen sollte. Es war doch alles schlimm genug, mussten sie mich jetzt auch noch verprügeln ? Zack – der nächste Hieb traf mich.

Ein riesengroßer Löffel schabte unter meinem Bauch, hob mich einen halben Zentimeter hoch und rutschte ab, so dass ich wieder in den Schlamm klatschte.

„Scheiße“, sagte jemand, „wir müssen dichter ran.“

Es war unfassbar! Ein Wunder, ein echtes Wunder! Es gab hier doch noch Menschen. Menschen, die in dieser Tristesse Sport trieben, kleine graubraune Elefanten im graubraunen Schlick entdeckten und sich, wenngleich sie sich dabei unglaublich paddelig anstellten, auch noch Mühe gaben, sie zu bergen.

Das Boot holte Schwung und bohrte sich neben mir in den Dreck. Obwohl schon viel von mir weggeschwemmt worden war, war ich offenbar noch ziemlich schwer. Deshalb hatten meine Retter mich mit dem Ruder nicht aufheben können, aber nun packte mich jemand und zerrte mich in ihr Boot. Das war Iris, bei der ich seither wohne, und die beiden anderen lieben Ruderer waren Jörg und Lutz. Ich war gerettet.

Auf ihrem Bootsplatz wurde ich wie ein durch den Dreck gezogener und ausgewrungener kaputter Feudel in eine Lagerung gehängt und abgespritzt. Das war nicht sehr angenehm und kostete mich noch eine weitere Portion Füllstoff, aber mittlerweile war mir alles egal. Mir wurde klar, dass Ruderer keine besonders feinsinnigen Lebewesen waren. So richtig Angst und Bange wurde mir aber erst, als noch eine andere Mannschaft mit einem anderen Boot ankam.  

„Igitt !“ sagte einer „Wo habt ihr den denn aufgelesen ? Tut den doch in die Tonne!“ Diesen Tonfall kannte ich bereits.

Tonne ? Doch nicht etwa in eine Müll – Tonne ???

Meine Sorge war unbegründet. Iris schien zwar ein Problem damit zu haben, mich und die Bröckchen einfach so in ihr sauberes trockenes Auto zu legen, weshalb ich in einen furchtbar nach Käse stinkenden Plastiksack verpackt wurde, aber das spielte nun auch keine Rolle mehr.

Ich wurde zugenäht, gewaschen, getrocknet, wieder aufgetrennt, mit neuem Schaumstoff gefüllt und bekam neue Klamotten, Größe 92. Ich hätte es zwar besser gefunden, nicht in die Waschmaschine verbracht zu werden oder wenigstens nur mit halber Drehzahl geschleudert zu werden, dann hätte ich auch nicht vor die Waschmaschine gekotzt, aber ich will mich nicht beschweren. Nach drei Tagen war ich schon wieder ganz gut in Form.

Und alles in allem hab ich ganz schön Schwein gehabt.

  Nun hab ich aber ein Problem: Ich weiß einfach bis heute nicht, wer ich bin. Meine Erinnerung ist nicht wiedergekommen, was mein Leben vor diesem Ereignis betrifft.

Bestimmt 100 Tage und Nächte habe ich vor dem Computer gesessen. Ich habe das Internet nach der Antwort durchforscht, habe mir alle verfügbaren Analyseprogramme und Brainstormer heruntergeladen, bis die Festplatte voll war und Iris mich vom Schreibtischstuhl gezerrt und in den Fitnessraum gesperrt hat. Ich habe beim Tierschutzverein nachgefragt, bei den Behörden.

Aber ich habe die Antwort nicht gefunden.

Alles, was ich weiß, ist, dass es ein paar Wesen meines Namens gibt, drei bis vier ziemlich berühmte Hunde und ein Pferd, dann noch „Jungs-“ und „Lieder van der Waterkant“, aber nichts, was mir weiterhilft. Einer der Hunde heißt Iris vd Waterkant, das hat mich nun völlig durcheinander gebracht, aber ich denke, das ist ein blöder Zufall, denn meine Iris heißt ja nicht wie ich und ich nicht wie sie und überhaupt.

Dann hat mir Birgit die mnestischen Übungen aus der Geriatrie beigebracht. Aber ich bin ja traumatisiert, nicht senil, deshalb hat auch das nicht geholfen.

Ich stehe auf dem Schlauch. Aber ich will es wissen, wo ich herkomme und was meinen Vorfahren widerfahren ist.

Vielleicht sind meine Ahnen mit Hannibal über die Alpen gezogen, vielleicht war einer von ihnen ein berühmter Ruderer des Oranje - Teams, vielleicht ein Märtyrer im Burenkrieg, wer weiß. Dabei hab ich mich übrigens gefragt, was die Apartheidsgesetze für graue vorgeschrieben haben. Dürfen die in den Bus für Weiße, für Schwarze oder in gar keinen Bus?

Übrigens, ihr sollt ja aus meiner Geschichte lernen, rate ich euch, zieht euch immer was Oranges an, bevor ihr in den Schlick fallt! Man hat nicht immer soviel Glück.  

 

 

Willem am EBS